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Und sie spricht doch …

… Und dann: Der letzte Stein. So war das. Und siehe da: Ein Wunder geschah …

„Bist du das Kirche?“, fragt der Chronist, der sich anlässlich des 501-jährigen Bestehen der Kirche Ottensheim einfindet. Und sie antwortet. Am 23.10. hatte mein Text „Und sie spricht doch“ seine Ur- und Letztaufführung in der Pfarrkirche, die einmal ihre Stimme erheben durfte.

CHRONIST
Ich wusste gar nicht, dass du soviel von dem mitbekommst, was draußen geschieht.

KIRCHE
Hier drinnen wird all das verhandelt, was dort vor sich geht.

CHRONIST
Ich mag dein Innenleben.

Gemeinsam reisten Chronist und Kirche durch die letzten 501 Jahre im Leben der Kirche, begleitet von unerwarteten Gästen und Musik. Selbst die Orgel durfte zu Wort kommen (und zu Stimme) – sie wurde 1888 vom Orgelbauer Leopold Breinbauer erbaut:

ORGEL
Und zwar hier vor Ort, denn im Jahr 1844 entstand in Ottensheim eine Orgelbauanstalt.

Und natürlich unter Beteiligung vieler Ottensheimer und Ottensheimerinnen, darunter die beiden Chöre Tonart und Cornetto, die für uns die Glaubenskämpfe darstellten.

KIRCHE
Aus allem machst du eine Glaubensfrage! Heute ist mein Geburtstag und alles möglich.

CHRONIST
Ich glaube nicht … dass ich mit dir über Glaubensfragen diskutieren möchte.

Danke der Pfarre Ottensheim für die wunderbare Erfahrung! Und Thomas Bammer für die gemeinsame Arbeit am Text und seine Regie.

 

 

Das vollständige Interview zum Thema HEIMAT, das ich mit Gernot Fohler von der Rundschau geführt habe, an dieser Stelle noch einmal in voller Gänze.

  1. Sie haben sich mit dem Thema Heimat in einem Roman auseinandergesetzt. Was bedeutet der Begriff Heimat für Sie? Stehen Sie ihm positiv gegenüber?

»Für mich«, sagt Irina, »ist Heimat ein Gefühl, das unverwüstlicher ist als alles andere und immer bei mir bleibt, in meinem Körper trage ich es stets bei mir.« Ein Wert, der ihr nicht genommen werden könne, die Bezeichnung eines geistigen Ortes. (Corinna Antelmann. Hinter die Zeit. Wien 2018: 124).

Die Protagonistin sucht nach dieser Heimat jenseits von Grund und Boden durch Selbsterkundung. Das ist ein Ansatz, der mir gefällt: Die Heimat in sich selbst finden. Darüber hinaus sehe ich unseren Planeten als Heimat. Seit uns durch die Raumfahrt ermöglicht wurde, die Erde von außen zu erblicken, gibt es ja die Hoffnung, dass die Spaltung der Menschheit in Einheimische und Fremde von Stund an bedeutungslos wird. (Emmanuel Lévinas. Heidegger, Gagarin und wir (1961), in: Schwierige Freiheit. Frankfurt/M 1992: 173 ff.) Mit dem ersten Raumflug haben wir zudem die Möglichkeit erhalten, auch in diesem Sinne zu handeln. In diesem Sinne verstanden, ist der Begriff äußerst positiv für mich besetzt.

  1. Seit drei Jahren leben Sie in Ottensheim. Fühlen Sie sich hier daheim?

Ottensheim ist eine lebendige Gemeinde, die danach strebt, dass alle BewohnerInnen gehört werden. Ich bin viel herumgezogen und habe selten erlebt, dass dieses Bedürfnis aller Menschen, sich in das gesellschaftliche Leben einzubringen, in diesem Maße ernstgenommen wird, obwohl es ein Grundbedürfnis ist. Das schlägt sich vor Ort atmosphärisch nieder, weil es öffnet und die Wahrnehmung erweitert: Von den Alten auf die Jungen, den lang Ansässigen auf die Zugezogenen. Ich fühle mich mit offenen Armen empfangen und arbeite hier. So gesehen bin ich momentan in Ottensheim daheim. Sind wir nicht immer dort daheim, wo unsere Grundbedürfnisse gestillt werden?

  1. Was halten davon, wie in Oberösterreich das Thema diskutiert und aktuell mit dem Thema „Heimat“ umgegangen wird?

Ich verstehe den Wunsch nach einer Heimat, die sich an einen Ort bindet, gerade, weil es für mich einen solchen Ort nie gab, da beide Elternteile vertrieben worden sind. Mein Großvater war Bauer und hätte seinen Grund in Schlesien nie verlassen. Er ist nach der Befreiung Deutschlands zurückgekehrt an diesen Ort, ohne zu wissen, was ihn dort erwartete, tote Kühe und verendete Hühner, aber er wollte festhalten, was er als Heimat bezeichnet hätte, und war sogar bereit, unter der Besatzung einen Neuanfang zu wagen. Nicht einmal ein Jahr später trat er mit einem Gepäck von fünfzehn Pfund ein weiteres Mal die Flucht an. So habe ich, wie viele andere, Heimat über den Verlust von Heimat kennengelernt und somit gewissermaßen gezwungen, den Begriff von einem bestimmten Fleckchen Erde zu entkoppeln und bin dankbar dafür. Denn ebenso wie der Blick auf die Erde hätte helfen können, die Perspektive auf den Umgang mit ihr zu verändern, kann der Blick als Fremde möglicherwiese auch immer dazu beitragen, dem Wunsch, Heimat in einem ganz konkreten Sinne zu bewahren, Europa, die Welt, die Erde der Diskussion hinzufügen. Das Einende dem Ausgrenzenden.

  1. Gibt es einen Unterschied beim Thema Heimat zwischen Österreich und Deutschland?

Ich wohne nun schon seit dreizehn Jahren in Oberösterreich; seither hat sich sicher in Deutschland einiges geändert. Mein Empfinden war immer, dass der Begriff Heimat in Deutschland negativ konnotiert und in Oberösterreich das Bedürfnis nach einem Heimatbegriff, der die Menschen in ihrem Land verankert, stärker ausgeprägt ist. Ich bin im Norden aufgewachsen, in Bremen. Auch hier gibt es ein ausgeprägtes Interesse an Stadtgeschichte und den Traditionen wie Pikebrennen oder der Eiswette. Das wird zelebriert, würde jedoch nicht als Heimatpflege beschrieben werden, vermute ich. Ich empfinde die Beschäftigung mit Brauchtum und Dialekt als eine wertvolle Haltung, als den Wunsch, zu verstehen, wo man lebt, und wie die Menschen denken. In Bremen heißt das: Wo de Nordseewellen trecken an den Strand, wo de geelen Blömen bleuhn int gröne Land, wo de Möwen schrieen hell int Sturmgebrus do is mine Heimat, do bün ick to Huss (plattdeutsches Volkslied). Ich freue mich immer über den Erhalt und die Pflege jedweder Sprache, das ist wichtig und unbedingt wünschenswert. Überall. Denn sie ist ja mein Instrument.