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Seit siebzehn Jahren lebe ich in Österreich.

Doch erst jetzt schaffte ich es nach Klagenfurt – nein, nicht zum Bachmann-Wettbewerb, aber zum Grab Ingeborg Bachmanns, das ich als Auftakt zu einer Lesereise besuchen durfte.

Organisiert von der Buchhandlung Besold führte sie mich von Sankt Veit an der Glan über Brückl und Tanzenberg.

Und während mein neuer Roman in der Druckerei vor sich hindruckte, stellte ich hier in erster Linie meine Jugendbücher vor.

Doch ob für Jugendliche oder Erwachsene: Für all mein Schreiben gilt, was ich bereits Walter Pobaschnig gegenüber in seinem Interview über meine Bezüge zu Bachmann sagte:

Wie sie glaube ich an die Notwendigkeit, das Denken zu erlernen, zu erproben und mit Hilfe dieses Denkens zu versuchen, das, was wir fühlen und vorfinden, zu durchdringen und Veränderung herbeizuführen. Ohne die Bereitschaft, sich dem Schmerz und dem Nicht-Verstehen-Können zu öffnen und sich den Fragen auszusetzen, auf die es keine eindeutigen Antworten geben kann, werden wir vermutlich keine neuen Formen des Miteinanders entwickeln. Auch nicht zwischen Mann und Frau. Und dafür braucht es wohl die Introspektion, das Ausdifferenzierte, den gelegentlichen Abstand.

Und den Austausch mit der Leserschaft.

Danke Ingeborg Bachmann. Danke den Begegnungen während der Lesereise.

Die Leserunde von dem Jugend- und Erwachsenenbuch Der Rabe ist Acht ist abgeschlossen und ich bedanke mich für den regen Austausch. Einige Rezensionen gibt es hier zu lesen.

Die Arbeit an dem Buch begann mit einem Artikel aus der ZEIT, in dem über das Problem von zunehmender Gewalt an Schulen geschrieben wurde. Mich bewegte die Ratlosigkeit, die sich angesichts der Amokläufe in den USA einstellte, und ich wollte der Frage nachgehen: Was bewegt diese Jugendlichen? Mit einem Freund und Kollegen konzipierten wir ein Drehbuch, das sich eben dieser Frage widmete. Die Umsetzung des Films scheiterte daran, dass die Realität uns auch in Deutschland einholte: In Erfurt erschoss der 19-jährige Robert Steinhäuser elf Lehrer, eine Referendarin, eine Sekretärin, zwei Schüler und einen Polizeibeamten, bis er sich selbst tötete. Er war Schüler am Gutenberg Gymnasium gewesen, an dem die Tat ausgeführt wurde.

Aus dem Drehbuch wurde später der Roman Der Rabe ist 8. Hier konnte ich detaillierter beschreiben, wie alleingelassen sich die beiden Hauptfiguren fühlen, wie überfordert mit den sich ständig ändernden gesellschaftlichen Normen und Werten, den fehlenden Ritualen. Und niemand weist ihnen den möglichen Weg. So träumen sie von radikaler Veränderung, und diese Träume ziehen Konsequenzen nach sich, die sie zunächst nicht überblicken.

Ist das eine mögliche Erklärung? Wie sehen die Alternativen aus?

Mit dem Buch mache ich auch jederzeit Lesungen in Oberstufen. Es bietet sich als Klassenlektüre an.

Mein noch unveröffentlichter Jugendroman Alienation feierte am 17. Januar am Landestheater Linz unter der Regie von Nele Neitzke Premiere.

So bewegte ich mich einige Tage lang hinter verborgenen Türen, zu denen allein ich den Zugang besaß, und setzte dabei meine Hilferufe ab, und für kurze Zeit fühlte ich mich wie Theseus (DER Held!) im Labyrinth, der Ariadnes Faden folgt, in der Gewissheit, sicher geleitet zu werden. Es war durchaus möglich, sich im Netz zu verirren, ich wäre nicht die Erste gewesen, die nie wieder hinausfindet.

Wo führt das hin?

Ins Netz, richtig. Auf oder in oder mit der Netzbühne.

Das Buch wird im Sommer 2024 im Monika Fuchs Verlag veröffentlicht, in dem bereits Saskias Gespenster und Im Schatten des Mondes erschienen sind.

 

Dass der Bibliothekservice ekz zu dem Fazit „Empfehlenswertes Jugendbuch“ gelangt, freut mich ungemein.

Und auch die Bloggerin Cosmic McCoy schreibt in ihrer Rezension zu Im Schatten des Mondes: „Ich kann das Buch wirklich empfehlen und hoffe, dass ihr genau so viel Freude daran haben werdet, wie ich sie hatte.“

In dem Blog Kinderohren von Daniela Dreuth steht: „Die Geschichte von Leo und Ina ist die Geschichte einer behutsamen Annäherung zweier sehr unterschiedlichen Jugendlichen, zweier Außenseiter.“

Reinhard Ehgartner wiederum bespricht das Buch in den Bibliotheksnachrichten: „In kurzen Spannungsbögen gelingt es der Autorin, die Ambivalenzen familiärer und schulischer Beziehungsmuster auf allen Ebenen literarisch dicht durchzuspielen.“

Ich freue mich über und bedanke mich für die feinsinnig geschriebenen Rezensionen.

Und vielleicht findet sich bald jemand, der die Geschichte der beiden Jugendlichen verfilmt: Das Drehbuch liegt vor, von mir verfasst unter Mithilfe von Jens Wawrczeck, gefördert von der Filmstiftung NRW. Denn obwohl das Lesen jedem Film gegenüber den Vorteil hat, in die Innenwelten der Peronen einzutauchen, würde ich die Bilder von Sonnenfrau und Wolfsgehege, Planetarium und der Frau im Mond, die seit Langem vor meinem geistigen Auge präsent sind, liebend gern auf der Leinwand sehen wollen.

 

Ich behaupte, es gibt das Bedürfnis zum Denken: nachdenken, suchen, hinterfragen, den eigenen Kopf benutzen, eine Haltung finden. Alle wollen wir das, Erwachsene wie Jugendliche. Allein: Es muss Räume dafür geben, es muss trainiert werden, im Diskurs, beim Lesen, beim Sprechen.

Im Austausch mit Kolleginnen entsteht der Eindruck, es sei keine Ausnahme, ein Manuskript, das sich in erster Linie an Jugendliche richtet, mit der Aussage abgelehnt zu bekommen, es sei zu reflektierend geschrieben.

Warum ist das so?

Mir stellt sich die Frage, wie ich meine eigenen Erfahrungen mit Jugendlichen und meine Erinnerungen an mich selbst als Jugendliche, mit der Einschätzung zusammenbringe, „die Jugendlichen“ wollten in erster Linie Unterhaltung. Allerorts entdecke ich dagegen in erster Linie Interesse am Teilen von Gedanken und am Ergründen der Frage: Wie denkt eine andere, ein anderer darüber?

In meinem neuen (noch unveröffentichten) Jugendroman sinniert die Protagonistin Nikola über dies und das, echauffiert sich, stellt Überlegungen an – in erster Linie über ihre Rolle als Mädchen, allgemeiner: über die Zuschreibungen, denen Jungen und Mädchen gegenwärtig ausgesetzt sind, stärker denn je, subtiler unter Umständen, kraftvoll auf jeden Fall. Wie viele andere passt Nikola in kein Schema, nicht in das Bild der von Film-, Werbe- und Kleidungs-Industrie generierten Mädchenrolle, die auch im 21. Jahrhundert noch davon dominiert zu sein scheint, in erster Linie hübsch und „weiblich“ zu sein und findet keinen akzeptablen Leitfaden für sich, mit anderen Worten: Sie ist ein Mädchen, das es ablehnt, in Schubladen gesteckt zu werden. In dem FREIRAUM der Virtualität bastelt sie sich die Welt, wie sie sein soll, zeigt Erfindungsgeist und politischen Feinsinn, bis sie über die Falle stolpert, die allen Systemen immanent zu sein scheint: Angst vor Fremd-Einflüssen. Aber sie ist und bleibt ein Freigeist.

Und ja, in gewisser Weise ist der Text (auch) theoretisch, und nein, ich bin nicht beleidigt, ebenfalls keine (verlegerische) Zustimmung erhalten zu haben bisher, aber abgesehen von meinem Manuskript bin ich davon überzeugt, den Versuch zu wagen, neben vielen anderen Büchern, die in erster Linie von Handlung getragen sind, auch Bücher zu platzieren, die zum Nachdenken auffordern.

Im Sinne der Vielfalt.

In DER RABE IST ACHT lasse ich meine Hauptfigur Maja sagen: „Er hat eben seinen eigenen Kopf und keinen, der ihm aufoperiert wurde, nachdem der eigene zuvor Scheibchen für Scheibchen unauffällig und kaum merklich amputiert worden ist. Was wohl geschehen würde, wenn ich meinen eigenen Kopf wiederfände und ihn dann einfach ausprobieren könnte? Wenn ich nur wüsste, wo er sich versteckt hält. Unter meinem langen blonden Haar jedenfalls sitzt etwas anderes: Ein kluges Köpfchen, das vollgequatscht ist mit Soll und Muss […]“ Und in dem Jugendbuch, was dem RABEN noch folgen soll/wird/möchte, sagt Nikola: „Bei allem Unverständnis in Bezug auf das Verhalten anderer, war ich durchaus zu Freundlichkeit fähig, da ich ohnehin nicht daran glaubte, irgendjemanden für gender-bedingten Wahnsinn sensibilisieren oder irgendjemandem die Schuld dafür geben zu können, dass dieser Wahnsinn existierte; ich fand nur eigenartig, dass alle sich verhielten, wie sie sich eben verhielten, was soviel hieß wie: anders als ich. Mit oder ohne Rasur.“

Ich glaube nicht, dass es allen anderen so anders geht als ihr.

Veranstaltungen

Lesungen aus Im Schatten des Mondes (Monika Fuchs Verlag).

Die Autorin Corinna Antelmann fasst besonders die Stimmungen in diesem berührenden Jugendbuch gekonnt in Worte. Es geht unter die Haut, wie impulsiv Ina Leo aus der Reserve lockt, wie ihre Zuneigung wächst und sie sich gegenseitig verletzen wie stützen. Man bekommt viele Impulse, sich in den Kosmos der beiden Protagonisten hineinzuversetzen, sich zu freuen und an ihrem Beispiel zu wachsen. Wenn das kein Ziel für ein sehr empfehlenswertes Jugendbuch wie dieses ist!“ (Martina Mattes, ekz)