Beiträge

Ina will nichts mehr hören. Weder von Mondmännern noch von Krankheit und am allerwenigsten vom Tod. Sie steht auf und verlässt ihren Vater, die Bücher, die Internetseiten, den ganzen hilflosen Versuch etwas aufzuhalten, was nicht aufzuhalten ist. Wohin soll sie gehen?

(Im Schatten des Mondes, Monika Fuchs Verlag, 2018)

Eine Woche lang Steiermark und Lesungen aus einem Buch, in dem es darum geht, Krankheit als Teil des Lebens zu akzeptieren. Um den Versuch, mit ihr zu leben, statt verzweifelt sogenannte Normalität herstellen zu wollen. Sich mit Gegebenheiten auseinanderzusetzen und den eigenen Weg zu finden, zu sehen, was da ist, statt auf das zu starren, was fehlt. Den Gedanken, nicht in den Kategorien von Mangel zu denken. Den Appell, ein Leben zu suchen und zu finden, das dem jeweils einzelnen Menschen entspricht.

Mein Dank gilt der Buchhandlung Hofbauer für die Begleitung, den engagierten LehrerInnen und SchülerInnen für die vielen Fragen und anregenden Gespäche, die Aufmerksamkeit, den wachen Austausch.

So schön kann Lesen sein.

… In Hinblick auf das anzunehmende Leseverhalten der Kinder verstehe ich im Übrigen nicht, warum die Verlage den Kindern nur mehr kurze Sätze zumuten wollen, wie erst neulich ein mir unbekannter Verleger am Telefon zu mir sagte: »Kurze Sätze und wörtliche Rede, also bitte, schreiben Sie bloß keine indirekte Rede«; er habe bemerkt, wie sehr ich das möge. Dass ich die indirekte Rede in meinen Texten liebe, ist auch mir bereits aufgefallen, obwohl es mich wundert, weil ich meiner norddeutschen Herkunft gemäß gewöhnlich für das Direkte bin und deshalb ja oft anecke in Österreich, in einem Land, das es lieber indirekt zu mögen scheint, dafür rund und geschmeidig. Beim Schreiben erscheint es mir dagegen ebenfalls angenehm, indirekt zu bleiben, weil die geschriebene Sprache ja ohnehin keinen direkten Weg zurücklegt, anders als es das gesprochene Wort tut, in Norddeutschland häufiger als hier, und so denke ich logischerweise, minus plus minus ergibt plus, was mathematisch gesehen vollkommen korrekt ist, auf die Schriftsprache bezogen allerdings überprüft werden sollte. Auf meine Frage, warum er etwas gegen die indirekte Rede in Büchern für Kinder habe, meinte der Verleger, dass die Kinder indirekte Rede nicht verstünden. Und als ich es mit dem Argument versuchte, durch die verstärkte Lektüre indirekter Rede könne sich das ja ändern, legte er auf. …

(Drei Tage drei Nächte, Septime-Verlag, 2018, Seite 199)

(anlässlich der Schließung von Linzer Bibliotheken 2017 und der Schließung der Linzer Dombücherei)

Vor noch nicht allzu langer Zeit saß ich auf dem Sofa, in der Hand eine Ausgabe der Bibliotheksnachrichten (herausgegeben vom Österreichischen Bibliothekswerk) und ließ mich, zur Überraschung meiner Familie, die sich alsbald in Zustimmung wandelte, zu einer Ode an die Großartigkeit der Bibliothek hinreißen: Eine Einrichtung, die es ermöglicht, dort hinein zu spazieren und dir das Buch auszuleihen, an das du gerade gedacht hast, und das du immer schon einmal lesen wolltest. Ein Raum, dafür geschaffen, Begegnungen herbeizuführen und sich auszutauschen, wo Lesungen abgehalten werden, die aus Sicht der Autorin zu den anregendsten gehören, gut besucht außerdem, weil der Bedarf da zu sein scheint, zusammenzukommen und miteinander zu sprechen: über Leseerfahrungen, Inhalte, Gedanken. Ein Ort, der Leseförderung betreibt und dir den selbständigen und selbstverständlichen Zugang in die Welt der Möglichkeiten bietet. Hier kann Literatur empfohlen werden, ohne von wirtschaftlichen Zwängen geleitet zu sein, werden Entdeckungen erlaubt, die jenseits des mainstreams ihre Bedeutung entfalten und daran erinnern, was Aufgabe von Literatur bedeutet: Türen öffnen, den Horizont erweitern, das neuerdings vielbeschworene Establishment irritieren.

Ja, ich liebe Bibliotheken – als offene Räume in einem geistigen wie auch im institutionellen Sinne. Und ich liebe die Arbeit, die dort geleistet wird. Arbeit bedeutet in diesem Falle: eine SINNVOLLE Tätigkeit in Bezug auf den Menschen, der Idee folgend, dass der Mensch in erster Linien an Wachstum interessiert ist, nicht an Geld, und Bücher nicht allein Ware sind, die unter dem einzigen Gesichtspunkt produziert (!) werden: den größtmöglichen Gewinn einzubringen.

Seither lese ich Nachrichten, die mein Lesevergnügen schmälern: In Linz wurden 2017 nach und nach fünf Bibliotheken zugesperrt, in Großbritannien wurden durch den Brexit zu beinahe 48 % Stellen abgebaut, Bestände verringert und Ende dieses Jahres schließt die Dombücherei in Linz mit der Argumentation, das Gedruckte verliere an Bedeutung.

Meine Frage lautet: Erklärt es mir. Und meine Vermutung: Es gibt keine Erklärung, die, gesellschaftlich gesehen, einen wie auch immer gearteten Sinn machen könnte.

Viel wird in letzter Zeit über die vermeintlich allgemeine Verunsicherung vieler Menschen berichtet; von Orientierungslosigkeit war die Rede, vom Gefühl des Abgehängt-worden-sein. Die Welt hinkt daran, dass immer mehr Menschen aus dem System kippen, das ausschließlich dem Mammon (siehe oben) verpflichtet scheint, obgleich vor noch nicht allzu langer Zeit die Gier gesellschaftlich geächtet wurde – nachzulesen bei Homer oder wahlweise in der Bibel; beides steht sicher in der Bibliothek. Wollen wir in diesem Augenblick Einrichtungen wie Bibliotheken sperren, eine der letzten Bastionen kostenloser Gemeinschaftserfahrung? Wo ALLE sich als vollwertiger Mensch fühlen dürfen, ob sie eine Kreditkarte haben oder nicht, dem Markt zur Verfügung stehen oder als marktuntauglich verworfen wurden, ob sie bereits angekommen sind in diesem Land oder auf der Suche nach einem Platz.

Eine Gesellschaft setzt sich aus Einzelnen zusammen, mit allem, was dieser oder diese Einzelne mit hineinbringt, denn Gesellschaft meint nichts ja nichts anderes, als Verschiedene miteinander so zu verknüpfen, dass sie in Beziehung treten können.
Lesen, Verstehen, Begegnen – wo geht das? Genau.

Ich bin davon überzeugt, dass Bücher, dass die Literatur, Räume der Möglichkeiten eröffnen, auch Zeit-Räume. Dass sie Schönheit entdecken lassen, Platz erschließen für das Denken und Empfinden, das Fragen und Staunen, und somit notwendiger scheinen als jemals zuvor – ebenso wie die Orte, die es ermöglichen, ihnen auf unkomplizierteste Weise zu begegnen. Bildung ist AUCH immer eine Sache der Entscheidung. Hierzulande kann ich mir glücklicherweise Zugang dazu verschaffen, wann immer ich will: Zum Beispiel in der Bibliothek.