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Die Leserunde von dem Jugend- und Erwachsenenbuch Der Rabe ist Acht ist abgeschlossen und ich bedanke mich für den regen Austausch. Einige Rezensionen gibt es hier zu lesen.

Die Arbeit an dem Buch begann mit einem Artikel aus der ZEIT, in dem über das Problem von zunehmender Gewalt an Schulen geschrieben wurde. Mich bewegte die Ratlosigkeit, die sich angesichts der Amokläufe in den USA einstellte, und ich wollte der Frage nachgehen: Was bewegt diese Jugendlichen? Mit einem Freund und Kollegen konzipierten wir ein Drehbuch, das sich eben dieser Frage widmete. Die Umsetzung des Films scheiterte daran, dass die Realität uns auch in Deutschland einholte: In Erfurt erschoss der 19-jährige Robert Steinhäuser elf Lehrer, eine Referendarin, eine Sekretärin, zwei Schüler und einen Polizeibeamten, bis er sich selbst tötete. Er war Schüler am Gutenberg Gymnasium gewesen, an dem die Tat ausgeführt wurde.

Aus dem Drehbuch wurde später der Roman Der Rabe ist 8. Hier konnte ich detaillierter beschreiben, wie alleingelassen sich die beiden Hauptfiguren fühlen, wie überfordert mit den sich ständig ändernden gesellschaftlichen Normen und Werten, den fehlenden Ritualen. Und niemand weist ihnen den möglichen Weg. So träumen sie von radikaler Veränderung, und diese Träume ziehen Konsequenzen nach sich, die sie zunächst nicht überblicken.

Ist das eine mögliche Erklärung? Wie sehen die Alternativen aus?

Mit dem Buch mache ich auch jederzeit Lesungen in Oberstufen. Es bietet sich als Klassenlektüre an.

… so betitelt Friedrich Hahn seine Rezension zu „Im Geiste, Anna.“

Und schreibt resümierend: Martha hat es geschafft: Sie ist bei sich angekommen, ist Autorin geworden. Und Corinna Antelmann? Ihr ist ein wunderbares Vexierbild über Autonomie und Emanzipation gelungen. Ein wahrhaft preiswürdiges Stück Literatur. Chapeau!

Ich bedanke mich für die Besprechung und erfreue mich mich am Text, den es ohne das Alsergrunder Literaturstipendium nicht geben würde. Meine eigenen Streifzüge durch den 9. Bezirk von Wien und das unverhoffte Landen im Freud-Museum werden mir unvergesslich bleiben. Die Zeit mit der Familie Freud, die ich mit ihr in einem Konvolut aus Briefen und Schriften und Träumen verbrachte, ebenso.

Zunächst dachte ich, vermutlich sehe ich sie inzwischen überall, weil meine Vorstellungskraft jegliche Vorstellung übertrifft, doch es stimmte: Sie war es, die dort fotografiert worden war, auf dem Kopf diese altmodische Haube, darunter das Schildchen, es handle sich hier um Freuds Tochter Anna, die später Wand an Wand mit dem Vater praktizierte.
Ein Wink des Schicksals, sage ich.
„Ein verdrängter Wunschtraum“, sagst du.
Ach, Edith.

(Im Geiste, Anna, Kollektiv Verlag 2022)

Rechtzeitig zur Buchmesse in Leipzig erscheint mein neuer Roman mit dem Titel: Barcelona Dream. Oder: Puppen leben nicht. (Edition Rösner, 2023)

Anhand der jungen Filmemacherin Eva widmet sich das Buch der feinen Wechselwirkung von Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung. Es handelt von dem (weiblichen) Blick, mit dem meine Protagonistin auf sich selbst und ihre Fiktion schaut und somit gleichsam die eigene Wirklichkeit konstruiert. Nur allmählich werden die subtilen Formen von Selbstentwertung sichtbar, die aufgelöst werden müssen, um zu einer selbstbestimmten Positionierung innerhalb der noch immer männlichen (Erzähl-)Strukturen finden zu können.

„Eine Idee macht noch keinen Film“, sagt er. „Du weißt das. Ich weiß das. Für das Schaffen eines Films genügen Träume nicht.“ Den Satz kenne ich. Jean-Luc Godard lässt ihn in Le Mepris Francesca Vanini alias Giorgia Moll sprechen, und niemand in der Runde um Michel Piccoli herum weiß etwas darauf zu erwidern, weshalb das Schweigen im Film erst aufgelöst wird, als Brigitte Bardot fragt: „Wann gibt es Essen?“

22.11.22 – nicht nur eine interessante Zahlenkombination (vergl. Der Rabe ist Acht), sondern gleichsam Datum der Erstpräsentation und Erscheinungstermin von „Im Geiste, Anna“ – eine Erzählung. Oder auch: Briefnovelle?

Danke dem Stifterhaus Linz und dem Kollektiv Verlag Graz für die Möglichkeit, dem Text eine Öffentlichkeit geben zu können, und Anna Freud (im Geiste) für die Inspiration von Tagträumen, Psychoanalytischen Überlegungen und Eigenermächtigung:

Unschlüssig nähere ich mich ihr, sodass ich sie beinahe mit meiner Nasenspitze berühre, die im Übrigen auf Nasenhöhe liegt mit der ihren, und auf die Frage, ob ich etwas suche, würde ich gern sagen, den Faden, der mein Leben spinnt oder, anders ausgedrückt, das Garn, aus dem die schönen Geschichten gemacht sind. Und da reicht sie mir ein Spinnrad und sagt: „Spinn dir den Faden deines Lebens oder wenigstens den deiner eigenen Geschichte.“ (Antelmann: Im Geiste, Anna, Kollektiv Verlag 2022)

„Öffne deinen Schädel doch nur einen Spalt, damit ich deinen Geist erkunden kann“, lautet ein Satz, den die Ich-Erzählerin meines letzten Romans Kafka zuspricht, obwohl er dem Schädel eines Kommilitonen entsprang. Die Zeile kommt ihr bei dem Gedanken in den Sinn, „wie hübsch konservenmäßig geschlossen ein Schädel doch ist. Und dann überlege ich, wie der passende Büchsenöffner aussehen müsste. Liebe vielleicht?“ (1)

Die Literatur vielleicht?

Schreibend tätig zu sein, kann vielerlei bedeuten: Kommendes vorwegnehmen. Vergangenes beschreiben. Bekanntes neu zusammenfügen oder das Unbekannte hervorholen. Ich finde mich darin wieder, wenn Christa Wolf sagt, für sie sei das Schreiben immer mehr der Schlüssel zu dem Tor geworden, hinter dem die unerschöpflichen Bereiche ihres Unbewussten verwahrt seien. (2)

So vielfältig die Ansätze, zu schreiben, also auch sein mögen: Stets öffnet die Literatur eine Tür, die uns in in die Köpfe anderer Menschen eintreten lässt und somit Einblicke in ihr Denken und Fühlen gewährt.

Diese Möglichkeit ist es, die mich an der Literatur, schreibend und lesend, immer am meisten interessierte und interessiert, denn sie leistet, was auch jede unvoreingenommene Begegnung leisten kann. Vorausgesetzt, sie wird von Neugier begleitet. Von der Neugier, uns neben dem Bekannten ebenso mit all dem zu konfrontieren, was wir ablehnen, auch, oder gerade, wenn es auf die eine oder andere Art Unbehagen auslöst.

Freud schreibt: „Unheimlich nennt man Alles, was im Geheimnis, im Verborgenen bleiben sollte und hervorgetreten ist“ (3), also eigene verdrängte Ängste und Wünsche, in denen sich die Facetten unserer Erfahrung und unseres Menschseins zeigen, die ganze Bandbreite dessen, was sich menschliches Leben nennt, einschließlich des Todes.

Und so kann uns manch literarischer Text unheimlich erscheinen, wann immer es ihm gelingt, eine Sprache für das zu finden, was wir von uns weisen möchten, statt es in die Schatten zurückzudrängen, denen es zu entstammen scheint. Denn in den Büchern, da laufen sie ungehemmt herum, die Figuren, und begegnen auf die eine oder andere Art diesem Zurückgedrängten, indem sie die Konfrontation mit sich selbst nicht scheuen oder in anderen gespiegelt sehen, was sie zu vermeiden trachteten. Und mehr noch: Die Leserinnen selbst sehen sich gespiegelt, sobald sie hineinschlüpfen in die Buchseiten und dort dem Fremden begegnen, das sich in dieser oder jener Figur zeigt.

Oder gar in einem Gespenst?

Das Gespenst, das in der Literatur herumwandert, schaut uns aus den Buchseiten entgegen und lässt uns das zurückgedrängte Vertraute als Fremdheit in uns selbst erblicken.

Wie unheimlich ist das, bitte?

Ja, in den Varianten der beunruhigenden Fremdheit zeigen sich Verhaltensweisen, die wir nicht an den Tag legten bisher, Gefühle, die wir nicht kennen oder nicht zu kennen behaupten, und die uns dennoch näher sind als wir wahrhaben wollen, denn alle teilen wir die Erfahrung von Menschsein.

Und deshalb erscheint mir vielmehr beunruhigend, wenn Verlage darüber nachzudenken beginnen, oder bereits durchsetzen, was anderorts, zum Beispiel auf Netflix, ohnehin üblich ist: Trigger-Warnungen auszusprechen. Dadurch sollen die Leserinnen davor geschützt werden, sich ein Buch zuzumuten, das Inhalte transportiert, die Unwohlsein hervorzurufen imstande ist. Es wird wohl als Dienst an den Kundinnen verstanden, vorzuwarnen, wenn ihre Gefühle durch Sprache, Denken oder Verhalten einer Figur, verletzt werden könnten, gleichgültig, ob sie dem Spektrum des menschlichen Daseins entsprechen mögen.

Die gute Nachricht: So müssen wir uns weder länger mit Motiven von Andershandelnden auseinandersetzen noch mit den Motiven von Andersdenkenden. Müssen weder unsere moralischen Urteile überdenken noch die eigene Blase je verlassen.

Die schlechte Nachricht: Wir müssen die eigene Blase nicht verlassen.

„Es trägt dem, der weise werden will, einen reichlichen Gewinn ein, eine Zeitlang einmal die Vorstellung vom gründlich bösen und verderbten Menschen gehabt zu haben“, schreibt Nietzsche 1886 (4) und räumt zugleich ein, dass diese Vorstellung ebenso falsch sei wie die Vorstellung des sich moralisch überlegen fühlenden Menschen, der vorgibt, ihm seien sogar gedankliche Kränkung und Bosheit unbekannt.

Als Autorin versuche ich stets, eine Sprache zu finden für die Empfindungen und Widersprüche, für Ungewolltes und Abgelehntes sowie Erwünschtes und Ersehntes, nicht aber moralisch abgesichert zu schreiben, um das Versprechen einzulösen, niemandem wehzutun. Dieses Vorgehen speist sich aus der Überzeugung, dass jede noch so unbequeme Perspektive zu einem gegenseitigen Verständnis beiträgt. Sich allein mit dem zu beschäftigen, was mich nicht anficht und dabei der Konfrontation auszuweichen mit alldem, was der Mensch zu tun in der Lage ist, sich allein mit Büchern auseinanderzusetzen, die mir die eigene Weltsicht bestätigen, verhindert den Blick auf das oben beschriebene Fremde, das uns allen innewohnt.

Literatur drückt das Gemeinsame aus, das Verbindende. Sie ist kein Dienst an den konsumierenden, sondern an den Menschen in seiner Ganzheit. Sich wohlfühlen mag ein Maßstab für den Möbelkauf sein, nicht aber für das Lesen von Büchern. Weichen wir nicht aus. Begegnen wir den eigenen Verletzungen und suchen sie auszudrücken. Verlassen wir die Komfortzonen, in denen wir uns nur deshalb möglichst wohlfühlen sollen, um weitere Wohlfühlgegenstände um anzusammeln und an Lifestyles zu stylen, die uns zu unterscheiden trachten. Denn literarische Begegnungen im vorauseilenden Gehorsam von aller Unbehaglichkeit zu reinigen, führt zu einer Kultur, die dem Menschen nichts zuzumuten traut.

Und so werde ich weiterhin meinem Antrieb folgen, Figurenrede und Autorinnenmeinung zu unterscheiden und in eben diesen Figuren, mit denen ich nicht immer einer Meinung sein muss, schreibend und lesend zu begegnen: ob Täter oder Opfer, schwarz oder weiß, jung oder alt, Mann oder Frau. Mit all ihren Haken und Ösen und Abgründen. Mit Widersprüchen, Ängsten und Hoffnungen.

In all ihrer Vielfalt.

 

(1) Antelmann, Corinna. Drei Tage drei Nächte. Wien, 2018: 224

(2) Vergl. Wolf, Christa (1986): Die Dimension des Autors, Bd II. Essays und Reden I und II, Gespräche Auswahl: Angela Drescher. Berlin/Weimar

(3) Freud, Sigmund. Das Unheimliche. Bd 12: 231

(4) Friedrich Nietzsche. Menschliches, Allzumenschliches. Leipzig, 1930: 67

 

Nachzulesen auch in der aktuellen Ausgabe der bibliotheksnachrichten

Als Alsergrunder Bezirksstipendiatin widmete ich mich dem Leben und Schaffen von Anna Freud. Entstanden ist ein Text, in dem sie motivisch als ein Schatten aufscheint, der sich über die Gedanken meiner Hauptfigur wirft.

In einem fiktiven Briefwechsel an ihre Freundin Edith berichtet Martha von der unerwarteten Begegnung mit einer Doppelgängerin, wie sie zunächst meint, die sich später als die junge Anna Freud entpuppt, die aus einer vergangenen Zeit zu ihr spricht. Martha ist frisch von Deutschland nach Wien übersiedelt, um Abstand zu ihrem Vater zu gewinnen. Als Aushilfekraft in einem Teeladen auf sich selbst zurückgeworfen, begibt sie sich hier, unvermittelt und nicht ganz freiwillig, in die Eigenanalyse.

[…]

Liebe Edith,

die junge Frau hatte nicht auf der Bank am Ari-Rath-Platz gesessen, obwohl ich bis am späten Abend dort Wache hielt, und deshalb nutzte ich stattdessen den frühen Morgen, mich auf ein Wiedersehen durch das Schaufenster vorzubereiten. Noch bevor ich das Wechselgeld nachzuzählen begann und die Waage einschaltete, steckte ich den Schlüssel von außen in die Ladentür, als Schlüssel zum Unbewussten gewissermaßen, und befestigte das Schild Komme gleich wieder an der Tür, die ich anschließend offenließ, auf dass es niemanden irritiere.

Oder als Einladung an sie.

Tatsächlich sah ich sie wenig später herannahen. Und dieses Mal bildete ich mir ihre Erscheinung nicht ein. Kurz nur betrachtete sie die Auslage, ich glaube, es ging ihr um eine Teekanne aus Usbekistan, aber sie schien in Eile, das Leben rief nach ihr, vermute ich, aber als sie zum Weiterschlendern ansetzte, lief ich, nicht minder eilig, hinaus, verschloss den Laden und nahm die Verfolgung auf, in vollem Vertrauen darauf, dass sie mir den richtigen Weg weisen würde.

Sagen wir: einen beliebigen Weg.

Ich verlor sie in der Berggasse. Eben noch hatte ich sie vor mir gehen sehen, dann war sie weg.

[…]

Eine erste Lesung von Auszügen des Textes fand am 25. Mai 2022 um 19.00 Uhr in der Bibliothek des Freudmuseums, Berggasse 19, 1090 Wien statt. Ich bedanke mich an dieser Stelle nochmals bei Friedrich Hahn als Initiator und Juror des Stipendiums, Saya Ahmad als Bezirkschefin Alsergrund für ihre engagierte und zugewandte Moderation sowie Peter Nömaier vom Freud-Museum Wien.

Unter dem Titel Im Geiste, Anna erscheint der Text am 22.11.2022 im Kollektiv Verlag. Vorbestellungen werden bereits entgegengenommen. Die Erstpräsentation des Buches findet im Rahmen einer Doppellesung mit Herbert Stöger am 22.11. im Stifterhaus Linz statt.

Am Ende des Tages ist das Dunkel und darin ich. Und auch am Anfang stand das Dunkel, während ich in meiner Wiege lag und schrie, bis ich dann schwieg und an diesem Schweigen beinahe gestorben wäre, weil alle dachten, sie meldet sich nicht, also wird sie wohl keinen Hunger haben.

So beginnt der Text „Die vergessene Wiege“, der bereits in der Sendung „Neue Texte“ auf Ö1 gesendet wurde. In ungekürzter Fassung bekommt der Monolog über die Stimmlosigkeit der Mütter abermals eine Stimme verliehen, und zwar von dem wunderbaren Gunther Grasböck.

Nachzuhören sind die ersten beiden Teile unter:

https://cba.fro.at/550514 und https://cba.fro.at/556208

Der dritte Teil wird am 28. Mai um 9.45 erstmals ausgestrahlt: https://cba.fro.at/557976

Ja, lausch nur: Ich summe mir das Mehr herbei, nicht unähnlich deiner Melodie, da staunst du, und dann höre ich mir eine Weile zu, bevor es still wird, abermals still.

 

Gerda Lischka leiht meinem Text „Die vergessene Wiege“ in gekürzter Lesefassung im ORF ihre Stimme und trifft genau den Ton – wie wunderbar!

Der Text ist von mir als Ode an die Generationen von Müttern gedacht, die vor uns gelebt haben und ins Vergessen gerutscht sind. Denn je älter ich selbst werde, desto zorniger (oder auch: ratloser, aufmerksamer?) lassen mich Geschichten von (nun erwachsenen) Kindern werden, die um die Leistungen der Väter kreisen, sodass oftmals der Eindruck entsteht, es habe nie je eine Mutter existiert oder jedenfalls nichts Nennenswertes beigesteuert durch ihr Sein. Ihre Stimme verstummt mit ihrem Tod, kein schriftliches Zeugnis wird hinterlassen, keine materielle Spur. Hier also der Versuch, sie hörbar werden zu lassen, diese Stimmen.

Jede Frau kann stolz sein auf ihre (oftmals doppelte) Produktivität. Nur über das Lebendige kommt Leben in die Welt. Mir geht es um das Bewusstsein über den Wert der Mütterlichkeit (der entsprechend honoriert gehörte, das auch), die im Übrigen nicht mit Mutterschaft gleichzusetzen ist, das heißt, daraus lässt sich keineswegs ableiten, wem die Familenarbeit obliegt.

Mein Dank gilt Judith Raab für die redaktionelle Betreuung.

 

… Dass das Kinderkriegen einen großen, oftmals als solchen nicht angeführten Teil weiblicher Produktivität ausmacht, wird in den meisten Diskussionen von Frau und Karriere dagegen gern verschwiegen, weil das Kinderkriegen in früh-feministischer Zeit gern automatisch mit der Frauenversklavung gleichgesetzt wurde, aber ich fühle mich nicht versklavt, nein, ich bin ja im Gegenteil stolz darauf, es bereichert mich, obwohl ich eine Zeit lang rackern musste, um jene Steine zu zerbröseln, die meinen Kopf mit Glaubenssätzen beschwerten, im Sinne von Kinder sind die Last eines Frauenlebens. So eine Annahme kann nur daher rühren, dass wir eben alle stets ziemlich begrenzt hinschauen, und wenn es eine Zeit gab, in der den Frauen der Zugang zur Welt oder auch zur Literatur versperrt war, dann nicht, weil sie Kinder bekamen, sondern weil die falschen Schlüsse aus dem Kinderkriegen gezogen wurden …

(Drei Tage drei Nächte, Septime Verlag 2018, Seite 90)

Für meine geplante Erzählung In der Berggasse wurde mir das Alsergrunder Bezirksstipendium 2021 verliehen.

Es geht um die Begegnung zwischen der Studentin Martha mit der 15-jährigen Anna Freud, die um die Jahrhundertwende mit ihrer Familie im 9. Bezirk in der Berggasse wohnte – ein Tagtraum?

In Marthas Niederschrift vermischt sich ihr Erleben mit der Dokumentation ihrer Träume und Analysen des Geschriebenen, sodass zugleich Einblicke in das Innenleben der Erzählenden gewährt werden. Wie Martha hegte auch Anna Freud literarische Ambitionen, bevor sie sich gänzlich der Psychoanalyse zuwandte. Die Nähe von Literatur und Psychoanalyse beschäftigt mich selbst seit meinem Studium – wie schrieb Sigmund Freud an Schnitzler? „Ich habe immer wieder, wenn ich mich in ihre schönen Schöpfungen vertiefe, hinter deren poetischen Schein die nämlichen Voraussetzungen, Interessen und Ergebnisse zu finden geglaubt, die mir als die eigenen bekannt waren.“

Ich danke dem Alsergrunder Bezirksamt und dem Initiator des Stipendiums, Friedrich Hahn, herzlich für diese Auszeichnung.

Foto: BV09

Veranstaltungen

Im Rahmen von „Leipzig liest“ lese ich gemeinsam mit dem Kollegen Rudolf Habringer aus meiner Brief-Novelle Im Geiste, Anna.

Sie erzählt von der fiktiven Begegnung ihrer Figur Martha mit der Tochter von Sigmund Freud.

Im Geiste, Anna spielt mit Motiven aus Anna Freuds Leben: Martha zieht nach Wien, um Abstand zu ihrem Vater zu gewinnen: Flucht nennt es Edith, zu der sie Briefkontakt hält. Die Arbeitstage in einem ruhigen Teeladen veranlassen Martha zum Tagträumen, bis ihr eine Unbekannte erscheint, in der sie Anna Freud auszumachen meint. Martha stellt sich ihren „Geistern“ und erkennt in der vermeintlichen Doppelgängerin schließlich eine Frau, die trotz aller Verpflichtungen und Beschränkungen zu einer eigenen Stimme fand, um sich in diese Welt einzuschreiben.

Gemeinschaftslesung mit Rudolg Habringer und seinem Buch: Leirichs Zögern

Im Rahmen des Literaturfestes der Bibliothek Ottensheim.

Verzeih, Vater, wo waren wir stehengeblieben?
Bei der Literatur, richtig. Auch sie kann satt machen, nicht wahr? So satt wie die Musik, wie das Theater und, wenn du unbedingt darauf bestehst: satt wie die Liebe.
Deine Liebe zu Mutter war es, die dich über den Krieg rettete, und somit ist sie auch eine Form der Selbstliebe gewesen.

(Spargel in Afrika, Monika Fuchs Verlag, 2020)

Vorgestellt wird das Buch Fragmente – Die Zeit danach. Es lesen: Corinna Antelmann, Renate Silberer, Marianne Jungmaier, und es spielt: Vero Moser (aka Frau Tomani)

Begrüßung: Karin Peschka

»Die Überwindung einer Krise kann nur kitschig sein«, erwidere ich, »denn ihr folgt der Ausblick auf eine bessere Welt.«

Ich lese eine gekürzte Version der Erzählung Spargel in Afrika.

Komponiert in drei Sätzen führt Corinna Antelmann in einen motivisch dicht gewebten inneren Dialog des Sohnes mit dem Vater. Anhand von Lebensepisoden entsteht ein Muster aus Suche und Verirrung, Anziehung und Zurückweisung. Nun, da das unverwurzelte Leben des Diplomatenvaters im 22. Stock eines Altersheimes seine letzte Station findet, werden in der Vater-Sohn-Beziehung gleichermaßen schmerzhaft wie heilend letzte Puzzleteile gelegt. (Reinhard Ehgartner bn)

Innerhalb des Rahmenthemas „Autofiktionales Schreiben“ lesen: Corinna Antelmann. Gerda Sengstbratl. René Freund.

Können literarische Texte vom eigenen Erleben getrennt werden?

In Ein Tag im Jahr schreibt Christa Wolf: Wann werde ich, oder werde ich überhaupt je noch einmal ein Buch über eine ferne erfundene Figur schreiben können; ich bin selbst Protagonistin, es geht nicht anders, ich bin ausgesetzt, habe mich ausgesetzt. (ETJ, 1993, S. 524)

Auf Ö1 liest Gerda Lischka im Rahmen von NEUE TEXTE eine Kurzform meines Textes: „Die vergessene Wiege“. Gestaltung: Daniela Wagner. Redaktion: Judith Raab.

Angeregt durch die Frage, wo das Werk und das Leben einander berühren, spüren wir der Position des Künstlers, der Künstlerin nach, indem der Musiker Reinhold Gliere seinen Platz neben der Malerin Gabriele Münter findet, ergänzt durch literarische Betrachtungen zum Thema.
Musikalische Lesung mit den Autorinnen Corinna Antelmann und Judith Gruber-Rizy, dem Violinisten Tokio Takeuchi und dem Cellisten Christoph Ernst.

#ArtInQuarantine
 
Nach der Osterpause möchte ich abermals eine Donnerstag-Lesung anschließen. Der Auferstehung geht die Einkehr Jesus vorweg, der Weiterentwicklung des Menschen die Begegnung mit dem eigenen Selbst. Und so passt Ostern unter Umständen hervorragend in diese Zeit (unfreiwilliger) Abschottung. Irgendwann werden wir voraussichtlich effektive Behandlungsmethoden gegen das Virus entwickelt und gleichermaßen vielleicht dennoch die Erkenntnis gewonnen haben, dass der Mensch nie die Kontrolle über die Quelle des Lebens erlangen kann – dies ist ein Grundprinzip.
Ich werde Auszüge aus verschiedenen Texten von mir lesen, in denen es stets um den Weg ins Licht geht (als Symbol des Erkenntnisgewinns?). Ein Osterthema also, das jedoch immer wieder auch in der Literatur zu finden ist – als Antrieb der Figur zur Erkenntnissuche.
Ein dunkler Gang bringt einen immer ins Licht, ist es nicht so, denke ich und meine damit Geburt und Wiedergeburt und all die schweren Sachen, die in der Musik nichts wiegen. (las almas del tango, Verlag Nina Roiter e.U., 2017)
Freue mich auf eine weitere Lesung mit euch, wenngleich noch immer im virtuellen Raum.
Beitragsbild: Dominika Meindl

 

 

#ArtInQuarantine
 
Ich werde zwei in sich geschlossene Texte zum Thema WAND lesen, weil wir ja nun viel, viel Zeit zwischen den Wänden verbringen, und hier kann so allerhand passieren (sie sprechen …; sie schließen uns ein …).
 
Ich stelle fest, ich habe häufiger über Wände geschrieben, zum Beispiel über eine Mutter, die orientierungslos und von unbestimmter Sehnsucht getrieben durch das Haus tigert, weil sie nicht weiß, wohin mit ihren Gedanken, und sich dabei doppelt isoliert fühlt: innerhalb der Wände ihres Kopfes und innerhalb der vier Wände ihrer Wohnung, ergibt insgesamt acht Wände. Die Rechnung geht nicht auf, denn glücklicherweise ist der Kopf, anders als das Handy, nicht rechteckig, sondern rund und eignet sich zum Denken, und da das Runde die perfekte Form ist, kann dieses Denken sogar die Richtung wechseln, was allerdings selten geschieht (Drei Tage drei Nächte, Septime Verlag, 2018)
 
Das ändert sich ja jetzt.