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Gerda Lischka leiht meinem Text „Die vergessene Wiege“ in gekürzter Lesefassung im ORF ihre Stimme und trifft genau den Ton – wie wunderbar!

Der Text ist von mir als Ode an die Generationen von Müttern gedacht, die vor uns gelebt haben und ins Vergessen gerutscht sind. Denn je älter ich selbst werde, desto zorniger (oder auch: ratloser, aufmerksamer?) lassen mich Geschichten von (nun erwachsenen) Kindern werden, die um die Leistungen der Väter kreisen, sodass oftmals der Eindruck entsteht, es habe nie je eine Mutter existiert oder jedenfalls nichts Nennenswertes beigesteuert durch ihr Sein. Ihre Stimme verstummt mit ihrem Tod, kein schriftliches Zeugnis wird hinterlassen, keine materielle Spur. Hier also der Versuch, sie hörbar werden zu lassen, diese Stimmen.

Jede Frau kann stolz sein auf ihre (oftmals doppelte) Produktivität. Nur über das Lebendige kommt Leben in die Welt. Mir geht es um das Bewusstsein über den Wert der Mütterlichkeit (der entsprechend honoriert gehörte, das auch), die im Übrigen nicht mit Mutterschaft gleichzusetzen ist, das heißt, daraus lässt sich keineswegs ableiten, wem die Familenarbeit obliegt.

Mein Dank gilt Judith Raab für die redaktionelle Betreuung.

 

… Dass das Kinderkriegen einen großen, oftmals als solchen nicht angeführten Teil weiblicher Produktivität ausmacht, wird in den meisten Diskussionen von Frau und Karriere dagegen gern verschwiegen, weil das Kinderkriegen in früh-feministischer Zeit gern automatisch mit der Frauenversklavung gleichgesetzt wurde, aber ich fühle mich nicht versklavt, nein, ich bin ja im Gegenteil stolz darauf, es bereichert mich, obwohl ich eine Zeit lang rackern musste, um jene Steine zu zerbröseln, die meinen Kopf mit Glaubenssätzen beschwerten, im Sinne von Kinder sind die Last eines Frauenlebens. So eine Annahme kann nur daher rühren, dass wir eben alle stets ziemlich begrenzt hinschauen, und wenn es eine Zeit gab, in der den Frauen der Zugang zur Welt oder auch zur Literatur versperrt war, dann nicht, weil sie Kinder bekamen, sondern weil die falschen Schlüsse aus dem Kinderkriegen gezogen wurden …

(Drei Tage drei Nächte, Septime Verlag 2018, Seite 90)

Für meine geplante Erzählung In der Berggasse wurde mir das Alsergrunder Bezirksstipendium 2021 verliehen.

Es geht um die Begegnung zwischen der Studentin Martha mit der 15-jährigen Anna Freud, die um die Jahrhundertwende mit ihrer Familie im 9. Bezirk in der Berggasse wohnte – ein Tagtraum?

In Marthas Niederschrift vermischt sich ihr Erleben mit der Dokumentation ihrer Träume und Analysen des Geschriebenen, sodass zugleich Einblicke in das Innenleben der Erzählenden gewährt werden. Wie Martha hegte auch Anna Freud literarische Ambitionen, bevor sie sich gänzlich der Psychoanalyse zuwandte. Die Nähe von Literatur und Psychoanalyse beschäftigt mich selbst seit meinem Studium – wie schrieb Sigmund Freud an Schnitzler? „Ich habe immer wieder, wenn ich mich in ihre schönen Schöpfungen vertiefe, hinter deren poetischen Schein die nämlichen Voraussetzungen, Interessen und Ergebnisse zu finden geglaubt, die mir als die eigenen bekannt waren.“

Ich danke dem Alsergrunder Bezirksamt und dem Initiator des Stipendiums, Friedrich Hahn, herzlich für diese Auszeichnung.

Foto: BV09

Wie schön ist das! Sabrina Worsch liest meine bisher unveröffentlichte Erzählung TAHOTO! Neu erschienen in der Hörbuchedition words&music.

Ist Tahoto dein richtiger Name, fragte ich ihn kauend, oder der Name einer Stadt in Japan?, aber er antwortete nicht, sondern lächelte, wie er immer lächelt, wenn er geheimnisvoll wirken will, was seiner steten Absicht entsprechen dürfte, und dann knöpfte er langsam sein Hemd auf.

Die Geschichte beschreibt den labyrinthischen Weg der jungen Mathematikerin Mila, die über die Begegnung mit dem Japaner Tahoto ihr bisher fremd gebliebene Aspekte in der eigenen Familiengeschichte aufdeckt.

In wieviele Spiegel habe ich geschaut, nur hinter diesem einen saßest du, saß ich?

Eine Hörprobe finden Sie hier.

 

 

Geschichten und Bilder in vier Farben ist ein literarischer Fotoband, entstanden als spontanes Projekt mit dem Fotografen Fabian Haas während des ersten Lockdowns im April. Und weil es uns das Projekt so einen Spaß macht, haben wir eine der Geschichten daraus auch gleich audiovisuell extrahiert. Es ist die Geschichte vom kleinen Drachen Gerrit, der den Schlaf sucht. Oder auch: Die organge Wiege.

Wer Saskias Gespenster gelesen hat, wird sie wiedererkennen: Die Geschichte stammt von dem (verstorbenen) Geschichtenerzähler Vladimir. Er hatte sie seiner Tochter Olga erzählen wollen, bevor er starb. Dieses Versäumnis, diese ach-so-wichtige Angelegenheit, die ihn in seinem Zustand zwischen Leben und Tod, gefangen hält, muss er nun mit Saskias Hilfe nachholen.

Und ja, das ist möglich. Alles ist möglich. Auch, dass Olga mich autorisiert hat, die Geschichte zu veröffentlichen, obwohl es sie nur fiktiv gibt – gibt es sie?

Viel Spaß beim Lesen, Hören, Schauen. Zum Vorlesen unter dem Weihnachtsbaum. Bestellungen sind direkt über mich möglich.

Mon cœur s’ouvre à ta voix Comme s’ouvre les fleurs Aux baisers de l’aurore!

Vor Publikum lesen – lang ist es her; umso mehr freuen wir uns auf einen ganz besonderen Abend, der Literatur und Gesang in den Mittelpunkt rückt:

Im Cellostudio Linz begegnen sich mit Corinna Antelmann und Dine Petrik (Literatur) und Yoon Mi Kim-Ernst (Mezzosopran) und Ki Yong Song Klavier) abermals Musik und Text. Auf dem Programm stehen unter anderem die Séguedille aus Carmen, Händels Lascia ch’io pianga und das Ave Maria von Schubert. Den literarischen Part übernehmen die Lyrikerin Dine Petrik, die aus ihrem Gedichtband Traktate des Windes liest, und Corinna Antelmann, in deren Roman Vier eine Klavierlehrerin sich während der Proben zum Ave Maria in Variationen der Liebe verliert.

Wo soll das hinführen, wenn man den Tönen erlaubt, miteinander zu kopulieren?

Hier gibt es einen Probeneinblick in den kommenden Abend, der am 27. August um 19 Uhr im Cellostudio Linz stattfinden wird, finden Sie hier, und da wir aufgrund der Maßnahmen in Bezug auf Covid19 nur gering bestuhlen können, wird es die Möglichkeit zum Nachhören des gesamten Abends geben. Schon bald auf dieser Seite …

Ermöglicht wird die Veranstaltung durch die Grazer Autorinnen Autoren Versammlung.

Es ist soweit: Das Buch ist nun erhältlich! Spargel in Afrika liegt in wundervollem Gewand vor – Monika Fuchs sei Dank.

Alle machen wir irgendwann die Erfahrung, in der Generationenfolge aufzurücken und den Platz der Eltern einzunehmen. Vom Genährtwerden zum Nähren. Vom Reden zum Schweigen. Und passend zur druckfrischen Neuerscheinung gibt es außerdem bereits einen Höreindruck in der Sendereihe Aufören – Literatur zum Wochenausklang, gesprochen von Gunther A. Grasböck, für dessen Engagement ich mich hiermit bedanke.

Es handelt sich hier um die siebte Folge der Sendereihe des Freien Radios Freistadt, in der Ausschnitte meiner diversen Werke vorgestellt werden.

Spargel in Afrika liegt in der Prosafassung im Monika Fuchs Verlag vor. Geschrieben für Thomas Bammer in der Rolle des Sohnes wurde die Bühnenfassung nach seiner Uraufführung am Landestheater Linz bereits mehrfach aufgeführt; nun liegt der (längere) Text vor.

Für alle, die sich wiederfinden in einer leisen, persönlichen Erzählung zwischen Melancholie und Ironie. Hier findet ein Monolog statt, der sich als Dialog verkleidet, als wortreiche und zugleich sprachlose Auseinandersetzung eines fürsorglichen Sohnes mit seinem lebensmüden, neunzigjährigem Vater, der im Krankenhaus liegt und sterben wird. Der Sohn spürt, dass auch er älter und in der Generationenfolge den Platz seines Vaters einnehmen wird. Während dieser womöglich letzten Begegnung berühren beide das Thema des Nährens und Genährt-Werden als universelles Bedürfnis des Menschen. Gemeinsame Essens-Erinnerungen helfen ihnen, eine Übereinstimmung zu finden, dort, wo es unmöglich geworden zu sein scheint, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu verbalisieren.

Was fehlt dir, Vater?, frage ich ihn und gebe mir die Antwort selbst: Nichts natürlich. Du hast alles, was du brauchst.

… der Wunsch, erlöst werden zu wollen, schwindet ja glücklicherweise mit dem Moment, wo du beginnst, dein eigenes Leben zu leben, und zwar aus der Fülle heraus statt aus dem Mangel. Wo der Eigenwert sich nicht länger danach bemisst, von was für einem Wert du für jemanden anderen bist. Bedürftigkeit ist nämlich eine Sache, die mehrere, womöglich rechteckige, Seiten hat …

(Drei Tage drei Nächte, Septime Verlag, 2018, Seite 215)

Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral, schrieb Bertolt Brecht in der Dreigroschenoper und traf damit offenbar eine Wahrheit, die dem Satz den Status des geflügelten Wortes einbrachte.

Wie gut also, wenn Fressen und Moral am diesem Tag im Herbst (unter strahlender Sonne) so nah beieinander liegen wie auf dem Bauernmarkt in Wels: Am achten November diesen Monats lud die Welser Stadtschreiberin Marlen Schachinger Kollege Peter Huemer, Geschichtenerzählerin Ursula Laudacher und mich zu einem direkten Marktverkauf ein.

Literatur = Moral? Ich sehe die kritischen Augen, die mich in diesem Punkt verfolgen…

Dennoch, es stimmt: Literatur nährt den menschlichen Organismus auf nachhaltige Weise – als etwas, das bleibt und nachwirkt bis in den Tod (wir haben November). Und: Produkt Buch selbst bleibt beständiger, nachdem es sich einverleibt wurde, als es ein Bauernkrapfen je könnte (der zugebenermaßen die Sinne auf andere Art zu befriedigen weiß). In Bertolt Brechts Nachlass fand sich ein Gedicht, in dem er all die Dinge beschrieb, die er liebte, darunter dies:

Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen/ Das wiedergefundene alte Buch […] Reisen, singen/ Freundlich sein.

Da Bücher nur selten auf dem Markt zu finden sind, aber Weihnachten auch dieses Jahr kommen wird: die Türen in den Buchhandlungen sind leicht zu finden. Und zu öffnen auch.

Veranstaltungen

Vorgestellt wird das Buch Fragmente – Die Zeit danach. Es lesen: Corinna Antelmann, Renate Silberer, Marianne Jungmaier, und es spielt: Vero Moser (aka Frau Tomani)

Begrüßung: Karin Peschka

»Die Überwindung einer Krise kann nur kitschig sein«, erwidere ich, »denn ihr folgt der Ausblick auf eine bessere Welt.«

Ich lese eine gekürzte Version der Erzählung Spargel in Afrika.

Komponiert in drei Sätzen führt Corinna Antelmann in einen motivisch dicht gewebten inneren Dialog des Sohnes mit dem Vater. Anhand von Lebensepisoden entsteht ein Muster aus Suche und Verirrung, Anziehung und Zurückweisung. Nun, da das unverwurzelte Leben des Diplomatenvaters im 22. Stock eines Altersheimes seine letzte Station findet, werden in der Vater-Sohn-Beziehung gleichermaßen schmerzhaft wie heilend letzte Puzzleteile gelegt. (Reinhard Ehgartner bn)

Innerhalb des Rahmenthemas „Autofiktionales Schreiben“ lesen: Corinna Antelmann. Gerda Sengstbratl. René Freund.

Können literarische Texte vom eigenen Erleben getrennt werden?

In Ein Tag im Jahr schreibt Christa Wolf: Wann werde ich, oder werde ich überhaupt je noch einmal ein Buch über eine ferne erfundene Figur schreiben können; ich bin selbst Protagonistin, es geht nicht anders, ich bin ausgesetzt, habe mich ausgesetzt. (ETJ, 1993, S. 524)

Auf Ö1 liest Gerda Lischka im Rahmen von NEUE TEXTE eine Kurzform meines Textes: „Die vergessene Wiege“. Gestaltung: Daniela Wagner. Redaktion: Judith Raab.

Angeregt durch die Frage, wo das Werk und das Leben einander berühren, spüren wir der Position des Künstlers, der Künstlerin nach, indem der Musiker Reinhold Gliere seinen Platz neben der Malerin Gabriele Münter findet, ergänzt durch literarische Betrachtungen zum Thema.
Musikalische Lesung mit den Autorinnen Corinna Antelmann und Judith Gruber-Rizy, dem Violinisten Tokio Takeuchi und dem Cellisten Christoph Ernst.

#ArtInQuarantine
 
Nach der Osterpause möchte ich abermals eine Donnerstag-Lesung anschließen. Der Auferstehung geht die Einkehr Jesus vorweg, der Weiterentwicklung des Menschen die Begegnung mit dem eigenen Selbst. Und so passt Ostern unter Umständen hervorragend in diese Zeit (unfreiwilliger) Abschottung. Irgendwann werden wir voraussichtlich effektive Behandlungsmethoden gegen das Virus entwickelt und gleichermaßen vielleicht dennoch die Erkenntnis gewonnen haben, dass der Mensch nie die Kontrolle über die Quelle des Lebens erlangen kann – dies ist ein Grundprinzip.
Ich werde Auszüge aus verschiedenen Texten von mir lesen, in denen es stets um den Weg ins Licht geht (als Symbol des Erkenntnisgewinns?). Ein Osterthema also, das jedoch immer wieder auch in der Literatur zu finden ist – als Antrieb der Figur zur Erkenntnissuche.
Ein dunkler Gang bringt einen immer ins Licht, ist es nicht so, denke ich und meine damit Geburt und Wiedergeburt und all die schweren Sachen, die in der Musik nichts wiegen. (las almas del tango, Verlag Nina Roiter e.U., 2017)
Freue mich auf eine weitere Lesung mit euch, wenngleich noch immer im virtuellen Raum.
Beitragsbild: Dominika Meindl

 

 

#ArtInQuarantine
 
Ich werde zwei in sich geschlossene Texte zum Thema WAND lesen, weil wir ja nun viel, viel Zeit zwischen den Wänden verbringen, und hier kann so allerhand passieren (sie sprechen …; sie schließen uns ein …).
 
Ich stelle fest, ich habe häufiger über Wände geschrieben, zum Beispiel über eine Mutter, die orientierungslos und von unbestimmter Sehnsucht getrieben durch das Haus tigert, weil sie nicht weiß, wohin mit ihren Gedanken, und sich dabei doppelt isoliert fühlt: innerhalb der Wände ihres Kopfes und innerhalb der vier Wände ihrer Wohnung, ergibt insgesamt acht Wände. Die Rechnung geht nicht auf, denn glücklicherweise ist der Kopf, anders als das Handy, nicht rechteckig, sondern rund und eignet sich zum Denken, und da das Runde die perfekte Form ist, kann dieses Denken sogar die Richtung wechseln, was allerdings selten geschieht (Drei Tage drei Nächte, Septime Verlag, 2018)
 
Das ändert sich ja jetzt.